Der nachfolgende Bericht ist ein Mix aus Vorbereitung, Planung, Ankunft und unserem ersten Floattrip auf dem Alagnak/Branch River. Es wird also nicht nur ums Fischen gehen, sondern auch über das Erlebte auf und neben den Strassen Alaskas. Fishporno gibt’s anderswo.
Wie unser Salto-Mazzo bereits im Fliegenfischer-Forumsbericht Alaska 2013 beschrieben hat, waren Rolando und ich bereits ein paar Tage zuvor in Alaska unterwegs.
Fragt man meine geliebte Frau, dann war’s der komplette Sommer. Ganz unrecht hat sie nicht; es waren immerhin knapp 6 Wochen und aus ihrer Sicht durchaus ein „ganzer“ Sommer.
Geplant war ursprünglich:
10 Tage Alagnak mit 5 Personen (siehe Mazzo’s Bericht).
Da der Moraine auch in der Gegend liegt, kam mir die Idee den Moraine „ontop“ zuvor für einen 7 Tages Float anzufliegen.
Der Moraine gehört seit jeher zu meinen persönlichen Favoriten. Da aber die Anreise recht kosten- und zeitintensiv ist und der Fluss für maximal zwei Personen Platz bietet, wurde dieser in der Vergangenheit immer wieder verworfen.
Carmen vom Alaska Fisherman Club konnte jedoch für Rolando und mich ein äusserst interessantes Arrangement mit dem Bushpiloten aushandeln und somit stand der Moraine nun auch auf dem Programm.
Doch es kam nochmals anders:
Im Frühling kontaktierte mich eine Gruppe von sieben Deutschen Anglern und fragten nach, ob ich sie für 9 Tage auf dem Alagnak begleiten könnte.
Ein paar der Jungs waren bereits Alaskaerfahren und machten nach den ersten Telefonaten den Eindruck, sie wüssten um was es geht und welche Risiken sie eingehen.
Da schaute der Plan dann plötzlich wie folgt aus:
25.06. Anreise Anchorage
30.06. Transfer Kingsalmon
01.07. Start Float Alagnak
09.07. Ende Float & 1x Übernachtung
Kingsalmon
10.07. Start Float Moraine
17.07. Transfer Float Alagnak
26.07. Rückkehr Anchorage
30.07. Rückflug Frankfurt
Wer jetzt denkt, ich hätte den Bogen überspannt, liegt völlig richtig !
Aber keine Sorge, ich bin immer noch äusserst glücklich mit derselben Ehefrau verheiratet und die Töchter sind auch noch nicht ausgezogen.
Kommt aber eine TV-Doku über Alaska, dann fühle ich drei leicht stechende Augenpaare im Nacken.
Nebst den Terminen galt es im Vorfeld auch gründlich die Einkaufs-, Material- und Packlisten zu planen, und das in dreifacher Ausführung. Eine Tortur zwischen Kosten, Gewicht und Luxus.
Aus DE kamen Mails mit Material-wünschen wie:
- Bärenzäune, Flinte
- SAT-Phone
- Motorsäge, Ersatzketten
- Russisches Brot
- Butterschmalz
- frisch gemahlener Kaffee
- 120 lt. Bier
- 20 lt. Frisch-Milch
Ich versuchte aufzuhalten was möglich war, doch es gab kein Pardon; die Germannen bestanden auf standesgemässer Verpflegung im Felde und „Maximal Level erreicht“ bei der Ausrüstung.
Für den Alagnak gilt erschwerend, dass alles Essbare nur in bären-sicheren und abschliessbaren Alu/Zargen-Boxen verstaut werden darf.
Rolando und mir wurde schnell klar: wir müssen genügend Zeit für Beschaffung, Inland Transport und floatgerechte Verpackung einplanen.
Die Anreise gestaltete sich angenehm. Das Rutenrohr kam dieses Jahr ohne Extra-Zuschlag aus und in Anchorage konnten wir unser Gepäck vollständig vom Band nehmen.
Carmen stand mit 28° Grad Sonne und Mietwagen vor der Ankunftshalle und wir konnten direkt die To-Do-Liste in Angriff nehmen.
Wir nahmen uns vor, die ersten beiden Tage die Einkäufe der unverderblichen Sachen durchzuackern und anschliessend ein paar Tage zu fischen und am letzten Tag in Anchorage noch die fehlenden frischen Produkte einzukaufen.
Wie kauft man aber für drei Floattrips ein, damit zum Schluss die Kassenbelege schön sauber getrennt sind?
Richtig; man hetzt dreimal durch den Fred Myers, verpackt alles separat und macht dann den Shopping-Marathon nochmals im Liqiuor Store, im Sportmans Ware-house und im Mountain View.
Die blanken Nerven konnten nur durch kulinarische Highlights im Gwennie's und Lone Star Steak House wieder beruhigt werden.
Doch nach knapp zwei Tagen, inklusive kurzem Abensprung am Shipcreek (leider ohne Erfolg) war die Pflicht erfüllt und wir konnten uns aufs Vergnügen konzentrieren.
Wer uns kennt, der weiss dass kaum ein Weg für eine aussichtsreiche Fischerei zu weit sein kann.
„Klutina“ hiess somit der nächste Stop. Nach Auskünften von Mitanglern am Ship und in den Tackleshops schien dieser aktuell der aussichtsreichste Fluss zu sein, was das Roadsystem zu bieten hatte. Am Russian & Kenai sei seit ein paar Tagen tote Hose. Also „pedal to the metal“ mit „The Hillbilly Moon Explosion“ aus der Jukebox war angesagt und es ging Richtung Süd-Ost Alaska.
Die mehrstündige Fahrt über den Glenn- & Richardson Highway bei strahlendem Sonnenschein war ein Genuss. Spät Abends erreichten wir Copper Center und fanden direkt bei der alten Brücke eine leerstehende Cabin für die Nacht. Campingplätze waren alle komplett ausgebucht. Die spontan angemietete und anfangs wildromantisch gemeinte „Cabin“ entpuppte sich schnell als Fehler. Dieses Ding hatte gute 50 Grad Innentemperatur und war durchgängig Moskito-Gitternetzfrei eingerichtet. Die Biester griffen an, als gäbe es kein Morgen. Durch die Hitzewelle war der ganze Campingplatz weiträumig trocken gelegt und entsprechend waren Fahrzeug, Gepäck, Schlafsäcke, Getackle und wir umgehend vom Staub paniert.
Mit ein paar zerklatschten Moskitos auf den Bleichgesichtern schritten wir Richtung Fluss. Bingo! Schlimmer als erwartet. Schulter an Schulter snaggten die Camper im milchigen Wasser des Klutinas. Aber was will man? Wir sind hier, heiss auf Sockeyes und haben keinen Plan B in der Fliegenbox. Die 9er & Rolando’s Spinnrute waren schnell aus dem Rohr genommen und mit 50er Nylon, Haken, Yarn und zünftig Blei aufgeriggt.
Rolando erhielt hier die Lektion, dass man dem Gerangele am Wasser besser nicht aus dem Weg gehen sollte, sondern sich immer mitten ins Getümmel stürzen sollte. Er begann an einer Stelle zu Fischen, wo kein anderer Angler war und wechselte bald vom Fischer zum Knüpfer. Der Grund warum die Stelle frei war, fand er schnell heraus: ein fies und nicht sichtbarer überspühlter Baumstamm war äusserst scharf auf seine Montage.
Er hatte aber den Dreh nach dieser Lektion schnell raus und fing seine drei Sockeyes kurzum, bei mir dauerte es etwas länger.
Und wer jetzt denkt, dass die beiden „Profi Floater“ sicher alle Vorkehrungen für das Fishprocessing getroffen hätten, muss ich leider enttäuschen. Wie blutige Anfänger standen wir mit unseren sechs Lachsen da. Kein Eis und keine Kühlbox. Der Typ vom Campingplatz hatte schon längst die Kühltruhen verrammelt und war unauffindbar; verständlich, kurz vor Mitternacht. Ja, jetzt wurde es uns beiden wieder einmal klar: die Nächte in Alaska sind trügerisch, hat man doch als Frischankömmling ungefähr 6 Stunden lang das Gefühl, es sei kurz nach fünf Uhr Nachmittags. Und wer interessiert sich noch ob der Uhr am Handgelenk ? Es sind schliesslich Ferien!
Eis & Box gäbe es um diese Uhrzeit einzig an der Tankstelle in Glenallen, erklärten die freundlichen Kalifornier am Wasser uns beiden Swiss-Dudes. Also ab in den Dodge und raus auf die Strasse. Eine halbe Ewigkeit später nahm uns eine Leuchtschrift an der Tankstelle die letzte Hoffnung auf eisgekühlten frischen Sockeye. „NO ICE“ strahlte in fröhlichem Neongrün in der alaskanischen „blauen Stunde“. Die Mitarbeiterin der Tanke klagte über eine, seit Wochen ausstehende Eislieferung für die ganze Region; einzig der Liquor Store etwas weiter auf dem Glenn Highway könnte noch Restbestände haben. Und ja, die hätten 7x24h geöffnet: „Hey, it’s a Liquor Store!“. Ok, Ok... Wir spähten die nächsten Meilen Richtung Palmer in jede Abfahrt vom Glenn Highway in nun doch fortgeschrittener Dämmerung. Endlich entdeckten wir rechter Hand den Schnapsladen. Doch brannte weder Licht noch sah der Laden irgendwie bewohnt aus. Aber auch keine „NO ICE“ Leuchtreklame. Also Finger auf die Klingel! Nach langen Minuten des Wartens öffnete eine angegraute und verschlafene Lady im Morgenmantel die Tür, wohl in der Hoffnung auf das grosse Geschäft. Ein Wunder, dass Rolando und ich nicht mit einigen Schrotkugeln im Hintern das Gelände fluchtartig verliessen, als ich sie fragte, ob sie Eis hätte. Hossa, kannte diese augenscheinlich gottesfürchtige Frau Schimpfwörter. Geknickt und ohne gekühlten Fisch fuhren wir zurück nach Copper Center, banden den Lachs an einen Stinger in den kalten Klutina und hauten uns auf die versifften Matrazen unserer moskitoverseuchten Cabin. Alles war jetzt egal – nur noch Schlafen und morgen schauen wir dann weiter.
Nach der kurzen und unbequemen Nacht besorgten wir uns beim Cabinvermieter einige Säcke Eis zu einem unverschämten Preis, fischten noch ein paar Stunden und beschlossen, dem Klutina Lebewohl zu sagen. Der Klutina überzeugte uns nicht für eine weitere Nacht und so schwangen wir uns in die Sättel und cruisten zurück Richtung Anchorage. Der gefangene Lachs wurde bei Alaska Sausage abgegeben und wir quartieren uns für die nächste Nacht im Lakeshore Motor Inn ein. Bei einem deftigen Abendessen im Lone Star schmiedeten wir die Pläne für die verbleibenden Tage in der Zivilisation.
In den Norden zu fahren und Flüsse wie den Montana oder rund um Wasilla zu fischen, wäre die eine Option gewesen, doch die Aufstiegszahlen von ADF&G sahen eher nicht berauschend aus. Also Kenai-Halbinsel.
Gegen Mittag schlugen wir am Russian River auf. Ausser ein paar gelangweilten Bleischwinger war da nix los. Dasselbe Bild von der Brücke in Soldotna über den Kenai. Also weiter Richtung Kasilof River.
Auf dem Parkplatz des staatlichen Campingplatzes (Confluence Crooked/Kasilof) war dann endlich etwas Leben auszumachen. Ein reges Kommen und Gehen von einheimischen und stationierten Fischern.
Wer meine Berichte liest, weiss, dass der Kasilof oft die eine oder andere königliche Überraschung bieten kann. Also nix wie ans milchige Wasser. Unten am Fluss zeigten sich etliche hochmotivierte Angler, was in Alaska das ultimative Zeichen für eine aussichtsreiche Fischerei ist.
Kaum den ersten Wurf gemacht, knackten die Büsche hinter mir und ein wild aussehender und laut schreiender Nebraskaner mit krummer Rute drängte sich an mir vorbei. An einer ruhigen und tiefen Stelle konnte er den angefärbten King landen. Kurzer Check der Fettflosse und er musste den Fisch wieder releasen – nur Hatchery Kings waren zur Entnahme freigegeben.
Das Gefluche und der Zirkus war gross. Jedem Fischer erklärte er auf dem Rückweg, dass er die Stelle gefunden hätte, wo noch etliche andere Kings stehen würden und er in wenigen Minuten wieder hier durch müsse.
Ja, ja, cu next time, bla,bla,bla….
Nicht 10 Minuten später knackte es erneut im Unterholz. Ja, wie befürchtet, kein Bär sondern der Hobbit aus Nebraska grunzte mit gekrümmter Rute um Durchlass. Der wiederum wilde King, wurde released, doch jetzt hatte er seine Glaubwürdigkeit beweisen und das Geschnattere ging erst richtig los, er hatte ja jetzt auch eine Schaar Zuhörer.
Rolando zweifelte an meinem Rat: „bleib einfach an einer Stelle stehen und fische. Swing auf Swing. Die Kings ziehen hoch und irgendwann knallts“.
Das ist nix für unseren rastlosen Rolando. Er lochte Meter für Meter durch, wechselte kurz darauf die Flussseite und versuchte es von dort. Nach etlichen Stunden sah ich seine Rute krumm und Rolando im Spurt. Von meiner Position aus konnte ich jedoch nicht sehen, was er da an der Angel hatte, doch sah ich ihn wild mit den Anglern auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses gestikulieren.
Später erzählte er mir, dass er einen Fisch gefangen hätte, jedoch in dessen Bestimmung unsicher war. Also suchte er Rat bei den Fischern vis-à-vis, zeigte ihnen den Fisch aus der Distanz und hielt ihn für den Release bereit.
Die Gegenseite antwortete „Sockeye, Sockeye!“ - Rolando verstand „Okay, Okay“ und releaste den Fisch.
Heftiges Gejohle von der Gegenseite, liess ihn dann doch zweifeln, ob er das richtige getan hätte. Egal, er blieb cool und fischte weiter, als ob alles so gewollt war.
Nach schier endlosen Stunden im bitterkalten Wasser und einsetzender Dämmerung gaben wir auf. Rolando verzeichnete den releasten Sockeye und eine Dolly, ich zwei dieser schönen hellgrauen Salmoniden. Doch ein King war uns nicht vergönnt. Wir mussten uns eingestehen, dass wir wirklich noch zu früh unterwegs waren und es wohl am besten ist, wenn wir zurück nach Anchorage fahren. Ich hatte da noch einen Pond als Option im Hinterkopf, der voll Hechte sein soll.
Rolando klemmte sich hinters Steuer und ich versuchte ihn mit ZZ Top und Anglerlatein frisch zu halten. Die Strasse war jetzt weit nach Mitternacht frei, die Stimmung gut und die Meilen flogen dahin. Beim Russian River kreuzte uns ein Wagen der Highway Patrol und schaltete auf unserer Höhe die Blaulichter an. Wir überlegten noch kurz, ob wir wenden sollten; dann hätten wir dieselbe Situation nochmal und könnten ein Foto schiessen… Nein, kein Blödsinn jetzt! Der Cop hatte gewendet und schloss zu uns auf. Rolando fuhr rechts ran, wir blieben brav sitzen, kurbelten die Scheiben runter und legten unsere Hände aufs Cockpit (ja, wir wissen mittlerweile, wie das funktionert…). Der Cop stellte sich als Danny vor und gab uns beiden freundlich die Hand. Ob wir was getrunken oder geraucht hätten? „No, Sir!“. Ob wir uns bewusst seinen, dass wir Schlangenlinien gefahren sind ? „No, Sir!“. Dann hiess es aussteigen und auf einer Linie gehen. Alles kein Problem, Rolando war ja schliesslich top fit. Danny meinte, er hätte gerötete Augen, „lousy fishing“ genügte nicht als Begründung, und er musste einen Augentest machen. Dazu sollte Rolando den Kopf stillhalten und Danny’s Finger von links nach rechts, von oben nach unten folgen. Auch alles wunderbar. Nun begann der gemütliche Teil, man tauschte sich über Herkunft, Jobs, Nachtschichten und über unsere bevorstehenden Floattrips aus. Dann schüttelten wir uns nochmals die Hände und wünschten uns gegenseitig ein schönes Leben. Fast hätte man das Gefühl bekommen können, einen neuen Freund dazu gewonnen zu haben. Richtig angenehme Zeitgenossen; solange wie man brav ist…
Ich bestand darauf, dass frühmorgens doch noch kurz ein Pike Pond rund um Anchorage angefahren wird. Ich mit der 8er Rute und Popper, Rolando mit 40cm Gummifisch (Grosser Köder = grosser Fisch…) machten wir den ersten Stopp am Sand Lake. Der Fussmarsch vom Parkplatz zum See durch‘s Sumpfgebiet liess die Hoffnung aufkommen, dass die Fischerei wirklich toll sein müsste. Wolken von Moskitos hiessen uns durstig willkommen. „Da geht sonst keiner hin! Und dann in der ADF&G-Beschreibung „invasive northern pike“ – das wird der Wahnsinn“ köderte ich Rolando.
Endlich am See angekommen, drehten wir auch gleich wieder um. Alles zugewachsen, Boden voller toter Bäume und Aggro-Moskitos liessen unsere Träume von Meterhechten umgehend platzen. Der Jewel Lake war unsere nächste Station. Wundbar zum Werfen, keine Moskitos, aber auch keine Fische. Ein paar Einheimische mit Brot an der Pose kriegten kaum den Kiefer geschlossen, als sie Rolando’s 40cm Big-Hammer sahen. Und wenn er auswarf, brachten sich die Bieber beim morgentlichen Sonnenbad am Ufer mit einem gewaltigen Spritzer in Sicherheit.
Wer es besser machen möchte, findet hier eine Beschreibung der Seen rund um Anchorage: Lake Fishing Anchorage (PDF)
Nach diesem kurzen Intermezzo galt es alle Sachen zusammen zu packen, bei Carmen alles Material abzuholen und dann für den Nachmittagsflug nach King Salmon einzuchecken. Fleisch, Gemüse & Co. wurde noch schnell auf dem Weg zum Flughafen eingekauft und schon standen wir in der Abflughalle zum Einchecken und die Probleme begannen.
Die Boote, Zelte und weiteres Material wurde bereits im Vorfeld durch Carmen via Frachflieger nach King Salmon transportiert, doch hatten wir noch etliche Zargenboxen mit Food & Drinks mitzunehmen. Vorallem die Alkohol-Kiste hatte es „in sich“. Zu zweit knapp zu heben, hieften wir das Ding mit einem lauten Knaller auf die Hochleistungs-Waage und die freundliche Damen beim Check-In wechselte umgehend die Gesichtsfarbe. Wir dann aber auch, als sie uns die Dollars aus der Tasche zog. Beim Security-Check der nächste Ärger: das Rutenrohr wurde mit einem langen Schnüffel-Stab derart traktiert, dass ich einschreiten musste. „Hey be careful, Fly Fishing Goods!“ Ich sah meine feinen Rütchen in 1000 Teilen. Die Dame hatte jedoch kein Erbarmen und stocherte weiter ungehemmt im Rutenrohr rum, bis das Stäbchen mit einem grünen Licht zufrieden war.
Dann endlich in letzter Minute auf dem Air Alaska Flug Richtung King Salmon. Jede Meile wurde das Wetter schlechter. Während wir auf unseren Sitzen dem Flughafenpersonal in King Salmon beim Ausladen zuschauten, fragte mich Rolando: „Fällt Dir was auf?“. Ja, und wie! Die stämmigen Jungs waren eingepackt wie im tiefsten Winter. Zudem zogen die Regentropfen immer noch schräg über’s Fenster, obwohl der Flieger schon längst stand. Hallelujah!
Mit hochgezogenen Kragen überwanden wir im Laufschritt die Strecke zur Barracke, die als Flughafen dient, und fanden uns pitschnass in einem Gewusel von Anglern, Abenteurern und Pickup Personal diverser Lodges. Unsere Fress-Kisten und wasserdichten Taschen wurden mit anerkennendem Nicken der vermögenden Lodge Kundschaft in ihren brandneuen Simms-Jackets beäugt, denn ein beachtlicher Teil der Ankunftshalle wurde mit unserem Zeug in Beschlag genommen.
Irgendwann war der letzte Tourist aus der Halle, nur wir zwei standen mit dem ganzen Geraffel wie bestellt und nicht abgeholt in der Halle. Was nun? Gemäss Carmen sollte uns jemand vom King Salmon Inn abholen kommen. Doch niemand liess sich blicken. Ein älterer Herr sprach uns an und meinte, dass der Flughafen in 10 Minuten schliessen würde und wir unser Material aus dem Gebäude schaffen sollen. Wir erklärten ihm die Situation und fragten nach einem Taxi. Da wurde er plötzlich sehr freundlich und meinte, er fahre uns. Ohh, Rettung in Sicht.
Als alles auf seinen Pickup verladen und unter einer Plane behehlfsmässig gegen den Regen geschützt war, wollte er unser Ziel wissen. „King Salmon Inn“. Wir fuhren ein ganzes Stück auf der von Schlaglöchern übersähten Strasse, sahen aber schon bald kein einziges Haus mehr. Nur noch Weidebüsche und Birken im Nebel. Rolando und ich wechselten kurz einen Blick welcher beide aber auch nicht beruhigte. Wo fährt der Typ uns hin? Zudem erzählte er uns von der Finanzkrise, der Arbeitslosigkeit in King Salmon, der fehlenden Lachsaufstiege, horrenden Benzinpreisen, seiner maroden Lodge, seiner Frau, die er schon lange nicht mehr gesehen hätte und die Schmerzen in der Hüfte. Depro-Stimmung gemischt mit ein wenig Unbehagen in einem alten klapprigen Pickup irgendwo im strömenden Regen rund um King Salmon: Blues Grössen wie Muddy Waters oder Etta James müssen hier inspiriert worden sein.
Doch dann, nach schier einer halben Ewigkeit, hielt er vor einem Schild an: King Salmon Lodge. „Nein“, erklärte ich ihm. „Wir wollen ins King Salmon Inn und nicht in die King Salmon Lodge“. Er schüttelte den Kopf und meinte, es gäbe kein King Salmon Inn – einzig die King Salmon Lodge gäbe es. Ich beharrte auf dem „Inn“ bis er sein CB-Funkgerät startete und bei einigen Mithörern auf Kanal „King Salmon“ nachfragte. Die meinten aber alle dasselbe wie er: „there is no King Salmon Inn in King Salmon“. Unsere Handys vermeldeten „kein Netz“ und unser Fahrer meinte, es bräuchte hier in King Salmon eine Extra SIM-Karte. „Euren Europäischen Mist könnt Ihr hier draussen nicht brauchen. This is King Salmon, Man!“. Ob es denn eine Telefonkabine gäbe, war darauf meine kleinlaute Frage, denn ich wollte Carmen anrufen und nachfragen, ob sie sich sicher mit diesem King Salmon Inn sei. Oh ja, eine Telefonkabine gibt es; im Kenko Inn.
Nein, alte Männer schlägt man nicht! Und es keimte gar ein Funken Hoffnung auf: Vielleicht war ja was durcheinander geraten, und Carmen meinte das Kenko Inn in King Salmon statt das King Salmon Inn in Kenko… Also Aufschwingen und auf ins Kenko Inn.
Die Rezeption war ein Holzverschlag mit einer Schiebetüre, hinter der ein Schnarchen zu vernehmen war. Erst nach heftigem Klopfen wurde endlich wer wach und knorzte die Schiebetüre mit grösster Mühe auf. Am liebsten hätt ich dem verschlafenen Herrn ein Stück Wachs oder Seife geschenkt. Egal, spielt jetzt keine Rolle. Er blätterte sein dickes Reservationsbuch durch aber schüttelte den Kopf. „No Reservation“. Shit! Das Telefon könne mit einer Telefonkarte für 15 Dollar benutzt werden. Der Anruf bei Carmen führte ins Leere; sie war nicht zu Hause.
Mit gesenktem Kopf stieg ich wieder in den Pickup. Beim Türöffnen fiel mir aber ein Kleber auf der Aussentüre auf: „King Salmon Shuttle. One way Fee USD $40.-„ OK, jetzt wurde so manches über die Hilfsbereitschaft des Herrn klar.
Er schlug vor, im gegenüberliegenden Eddie’s Fireplace was trinken zu gehen, was wir in dieser Situation als tolle Idee empfanden. Eddie’s ist eine urige Piratenspelunke. Auf jedem Tisch stehen Aschenbecher, die sich wohl aufgrund der über Jahre aufgehäuften Schicht aus Cola, Bier, Fett und Ketchup auf der Tischplatte verfestigt haben.
Die anwesenden Gäste begrüssten uns freundlich durch die Rauchschwaden und wir bestellen uns alle ein Alaskan Amber. Ein Grogg wäre passender gewesen, aber das kennt man natürlich hier in King Salmon nicht. Neben uns sassen zwei Spassvögel, beide weit über siebzig. Kaum noch Zähne, Löcher in den Hosen und an jedem Fuss jeweils ein unterscheidlicher Schuh. Im Freiburgerischen-Dialekt: „zwei richtige Chnöbel“. Die beiden hatten auch noch nie von einem King Salmon Inn gehört. Der eine meinte dann aber, der Sheriff könnte noch was wissen, worauf der Bartender sein Handy hervorzückte und wenige Minuten später sass der Sheriff mit einer Marlboro im Mundwinkel, direkt unter dem „No Smoking by Law“ Schild zwischen uns an der Bar.
Der Sheriff meinte sich zu erinnern, dass das Ponderosa Inn seid einigen Jahren unter neuer Leitung sei und diese Leute, so glaube er, das Ponderosa auf King Salmon Inn umgetauft hätten. Die Reaktion der anderen drei Eingeborenen war jedoch eindeutig: „Ohh, Ponderosa - don’t go there !“
Unser Shuttlebusfahrer „inkognito“ meinte, er führe uns nun definitv in die King Salmon Lodge, worauf wir jedoch wehement widersprachen und auf der Ponderosa bestanden. Immerhin hatten wir dort doch zwei Buchungen und die waren bereits bezahlt.
Entsprechend mürrisch und unablässig kopfschüttelnd fuhr uns unser Freund wieder irgendwo in die Pampa raus. Mittlerweile hatten wir zwei die Orientierung definitiv verloren und befanden uns irgendwo im Nirgendwo, zwischen Birken und Weidesträuchern. Eine ganze Weile später kam zwischen den Büschen aber etwas zum Vorschein, was nach Zivilisation roch. Wie überall in Alaska: zuerst taucht eine Anhäufung von allerlei Schrott im Gemüse auf. Verrostete Bagger, ein schrottreifes Förderband, etliche Autowracks, ausgebleichtes Kinderspielzeug und dann endlich, beschönigt gesagt, eine langgezogene Bauarbeiter-Baracke. Unser Driver hielt an und meinte mit schelmischem Lächeln: „Here we are, fellows. Ponderosa. All what you can do out here is watching Moskitos having Sex.“ Seine Antwort „whatever you like“ auf die Frage, was ich ihm denn für die Fahrerei „Gutes“ tun dürfte, war die nächste Unsicherheit. Wie ich solche Antworten hasse. Ich drückte ihm 40 Dollar in die Hand und er machte den Anschein, als wäre er zufrieden. „OK, so long, you Chnöbel!“
Wir luden schnell unser Zeug von der Ladefläche und flüchteten unters Vordach ins Trockene. Die Türe war verschlossen, nirgends Licht und alles sah sehr verlassen aus. Auch nach einer Umrundung des Gebäudes konnten wir keine Lebenszeichen feststellen. Ein junger Kerl erlöste uns; er kam durch den strömenden Regen angerannt und fragte, ob wir die beiden Swiss Guys wären. Er stellte sich als Oskar vor, sprach kaum Englisch und sei der Aupair-Junge aus Bolivien. Er zeigte uns freundlich nickend und in Zeichensprache unser Zimmer, was ordentlich war und gab den Key für den WLAN Zugang raus, im Austausch von 10 Dollar pro Tag Nutzung. „Main Building not far away, there Phone for Taxi. No Restaurant here, don’t go to Eddie’s!“. Aha. Somit wäre alles wichtige geklärt.
Rolando und ich bezogen das Zimmer, drehten die Heizung hoch, legten alles Nasse mal zum Trocknen aus und hauten uns auf die beiden Einzelbetten. Jetzt war plötzlich ein Moment der Ruhe eingekehrt und Zeit zum Nachdenken. Rosig sah ja unsere Situation in diesem Moment nicht gerade aus und der unablässig, auf’s Blechdach prasselnde Regen steuerte auch nicht viel zur Ermunterung bei. Aber es half nix, wir beschlossen als Motivationsspritze ein Taxi zu ordern und im Kenko Inn zu dinnieren (don’t go to …).
Das Main Building fanden wir kurzum und kamen mit der Besitzerin und deren Schwester, beides auch Bolivianierinnen, ins Gespräch.
Normalerweise sei hier draussen viel mehr los, da aber die Commercial Fishery vor einigen Tagen geschlossen wurde, seien nun alle Gäste weg. Da ging uns auch ein Licht auf – das King Salmon Inn ist hauptsächlich für Saisoniers gedacht und nicht für Touris wie wir.
Das Taxi wurde bestellt und nach ein paar Minuten stand es vor der Tür. „One ride is 40 Dollar. But you can share with the others“. Im Taxi sassen bereits zwei Jugendliche und so kamen wir beide für je zehn Dollars nach King Salmon. Mittlerweile war uns auch klar, dass dieser Handel ein echtes Schnäppchen für King Salmon bedeutete.
Nach Durchsicht der Speisekarte im Kenko Inn bestellten wir uns als Apertizer eine Portion „Coconut Shrimps“ für USD 22$. Eine Portion für beide müsste bei dem Preis wohl reichen, denn wir wollten danach noch je ein Stück Fleisch verinnerlichen. Überessen haben wir uns jedoch nicht; zwei Shrimps war jedem von uns vergönnt. Der Service war freundlich, das Essen gut und die Preise gesalzen; King Salmon like. Zum Schluss aber doch gut genährt und mit frischem Mut gestärkt kehrten wir mit dem Taxi zurück ins King Salmon Inn in unser Zimmer. Diesmal leider ohne Sharing.
Zur Einstimmung und Auflockerung, hier zuerst mal ein paar bewegte Bilder vom Float:
Egal welche App befragt wurde, alle zeigten für die nächsten Tage dasselbe Bild: Wolken, Regen mit Sturm bis maximal 10° Grad Höchsttemperatur. Die Nacht unter dem kalten Blechdach wurde mit einer letzten ausgiebigen Dusche beendet, die komplette Elektronik nochmals in Ziploc gesichert und schon standen wir für die Abfahrt bereit. Bevor es aber endlich raus an den Alagnak/Branch gehen konnte, mussten noch ein paar Dinge erledigt werden: Einkauf von Propanpatronen & Bärenspray, da wir diese nicht via Inlandflug mitnehmen konnten. Dann Treffen mit Bob Egli, welcher uns Flinte, Munition, grosse Gasflasche, Motorsäge, Benzin usw. übergeben sollte und natürlich die Deutschen! Sie sollten auf der Nachmittagsmaschine in King Salmon landen, wo wir sie abholen und danach gemeinsam zu Branchriver Air fahren würden, um den Float endlich beginnen zu können.
Mit dem Taxi ging’s zum einzige Laden in King Salmon, gleich neben Eddie’s. Dieser bietet auf engstem Raum fast alles, was man hier draussen braucht. Das Propangas war schnell gefunden, Bärenspray auch. Sogar Ben’s (Moskito-Spray) gab’s hier noch. In Anchorage, Soldotna und Glennallen fanden wir die Tage zuvor nicht mehr eine einzige Flasche – komplett ausverkauft. Glück muss man haben, denn die Biester waren, kaum machte der Regen mal Pause, hier draussen äusserst aggressiv. Die Preise aber auch; „King Salmon like“. Fast doppelt so hoch wie in Anchorage.
Bob Egli von „Alaska Eagle Eye“ wartete im Eddie’s auf uns und wir handelten den Preis für die komplette Materialmiete aus. Nach dem Aussehen beurteilt, kein Mensch bei dem man gerne was mietet, was sich aber im Nachhinein als grobe Fehleinschätzung herausstellte. Unsere mittlerweile gewonnene Abneigung gegenüber King Salmon und allen, die hier draussen hausen, verklärte anscheinend unsere Objektivität je länger je mehr. Bob erklärte sich bereit, alles Material beim Airtaxi abzuladen und eine gut gefüllte Hand voller Dollars wechselte den Besitzer.
Rolando und ich verköstigten uns ein letztes Mal und zwar diesmal im Eddie’s, was ungefähr die Hälfte als im gegenüberliegenden KenKo kostete und mindestens so gut war. Ein letzter Hamburger mit Fritten in der Zivilisation. Lecker.
Nächste Station war der Flughafen. Das Gewusel in der Ankunftshalle war gross, doch dauerte es nicht lange, bis wir „unsere“ Jungs entdeckten. Mittendrin ein Berg Material und ein paar Germannen, die es bewachten. Man machte sich bekannt, erkundigte sich nach dem Befinden und merkte schnell: „Passt!“. Der „Chef“, wie sich später heraus stellen sollte, auch „Hermann the German“ genannt, hatte nebst blauem Ganzkörperanzug noch seinen Sohn Max, den Schwiegersohn Tobi, seine beiden Brüder Wali und Rudi, dessen Sohn Marc und den Nachbarn Udo im Gepäck. Alle top motiviert und voller Tatendrang. Rolando’s und meine Stimmung hob sich umgehend. Ein Lichtblick in diesem bis jetzt mühsamen und beschwerlichen King Salmon Kapitel. Ein Haar in der Suppe gab’s aber trotzdem – ein paar Taschen hatten den Weg nicht bis nach King Salmon gefunden. So trennten wir uns auf: ein Teil der Gruppe zu Branchriver Air um auszufliegen, der andere Teil verblieb Downtown um den Abendflieger um die Gepäcknachlieferung abzuwarten.
Der Shuttle-Fahrer von Branchriver Air wurde genötigt noch kurz einen Zwischenstopp im General Store zu machen, um die Jungs mit Ben’s aufzumonitionieren, danach gings zu den Wasserflugzeugen. Wathosen wurden ausgepackt, Watschuhe mit Spikes gelten auf Van’s neuer Veranda als Teufelszeug, also wurden die Crocks hervorgekramt und wir begannen mit dem Verladen der ersten Beaver. Rolando und ich, aber auch die Piloten, wurden bleich, als wir sahen, was da alles mitkommen sollte.. Dabei fehlte noch das eine oder andere Gepäckstück. Aber Hermann kannte kein Pardon – alles muss rein!
Tobi, Udo, Rolando und ich sollten die Vorhut bilden und mit dem ersten Flieger Richtung Nonvianuk Lake fliegen. Wir packten in den Flieger was ging – der Pilot wehrte nur noch ab.
Huch, fast hätt ich’s vergessen; wo werden wir wieder abgeholt?
Hier hatte Van eine ganz tolle Idee: Im Office hängt ein Foto von der Stelle, wo die Flieger in der Regel die Floaters wieder abholen kommen. Dazu noch die Koordinaten – da kann nix mehr schief gehen. Also Handy raus und kurz ein Foto von „Estradas“ geschossen.
Wir schauten, dass wir was zum Essen, unser Gepäck und die Zelte bei uns hatten. Hermann wollte solange in King Salmon bleiben, bis das restliche Gepäck ankam, auch wenn es erst am nächsten Tag wäre.
So zwängten wir uns zu viert mit dem Nötigsten in die Beaver und es konnte endlich losgehen. Nein, Moment; zuerst gab es vom Piloten noch eine kurze Erläuterung zu den Sicherheitsregeln. Hatte ich bis anhin noch nie erlebt.
Feuerlöscher? – Hier!
Gurten? - Angezogen!
Notausstieg? – wherever you like!
Beim Überflug von King Salmon kamen bei Rolando und mir Erinnerungen auf: die Ponderosa, das KenKo, Coconut Shirpms, Eddie‘s. Hach, waren wir froh, dieses Kaff mit seinen Chnöbels endlich hinter uns zu lassen und in die Wildniss zu kommen.
Die Erleichterung war anscheinend dermassen gross, dass Rolando und ich kurzer Hand wegnickten.
Udo weckte uns glücklicherweise, als der Alagnak das erste Mal unter uns auftauchte.
Wunderschön schlängelte sich zuerst das Flussbett durch die Nadelbäume, Kurve an Kurve. Aber wenn uns nicht alles täuschte, war das ein zünftig breiter Fluss mit kaum Strömung. Nach ein paar Meilen weiter wurde die Strömung besser. Doch fiel hier auf, dass die Struktur des Flusses nachliess. Erinnerte fast ein bisschen an einen begradigten Fluss. Ab und zu tauchte eine Lodge oder ein Zeltcamp auf. Erkennen konnten wir keine grossen Aktivitäten, was fischereilich gesehen eher ein schlechtes Zeichen ist. Gemischte Gefühle machten sich breit.
Nach knapp einer Stunde Flug erreichten wir den Nonvianuk-Lake. Der Pilot landete nicht weit vom Ausfluss und umgehend begannen wir mit dem Ausladen des Fliegers. Das Wetter war wie in King Salmon. Mal regnete es, mal nieselte es oder es pfiff uns der kalte Wind um die Ohren. Gerade einladend war es nicht. Tobi und Udo inspizierten den schnell gefundenen Campplatz und verharrten vor dem ersten Bärenhaufen. „Ja, Jungs, da dürft Ihr Euch gleich mal daran gewöhnen – immer schön auf den Boden schauen, damit Ihr nicht reintretet.“ Ups, da deuteten wir wohl was falsch: Ja, nicht nur Haufen, auch Bären gibt’s hier. Etliche Bärenwege und Schlafplätze waren in der näheren Umgebung auszumachen, was zu einer gewissen Unruhe bei den beiden Frischlingen führte. Aber wir beide wussten, wenn sie den ersten Bären gesehen haben, wird sich das schnell legen. Rolando meinte „eines musst Du dir merken: renne immer schneller als der hinterste Mann!“. Wären wir an einem Tisch gesessen, hätte er jetzt ein blaues Schienbein gehabt. Der Kasper muss aber auch immer noch Öl ins Feuer giessen.
Die Zelte, die wir bei uns hatten waren schnell aufgestellt. Wir vier verstanden uns auf Anhieb. Jeder packte mit an und ging sich gegenseitig zur Hand, was Freude machte. Als alles aufgestellt war, war klar was als nächstes zu tun ist: Fischen! Respektive Udo widmete sich seinem Hobby und begann die Küche nach seinem Gusto einzurichten.
Aus vergangenen Floats wussten wir, dass bei Seeausläufen eigentlich immer ordentlich Fisch anzutreffen ist. Doch hier und heute nicht. Tobi und ich konnten je eine mittlere Regenbogenforelle fangen, doch mehr war nicht zu finden. Ein wenig Enttäuschung machte sich breit.
Gegen Abend tauchte am Himmel eine Beaver auf und nahm Kurs auf unser Campingplatz. Und auch der dritte Flieger war kurz darauf im Landeanflug.
Das vermisste Gepäck war also auf der späteren Maschine von Anchorage angekommen und somit konnten wir nach Plan starten.
Die Jungs waren alle höchstmotiviert, trotz Regen und Kälte. Schauen wir mal, wie das in drei, vier Tagen bei diesem Wetter (und der viiiielversprechenden Fischerei…) ausschaut. Lustig war zu sehen, wie sich die Gruppe auftrennte. Die einen stürmten bis an die Zähne bewaffnet ans Wasser, die anderen ergriffen Bärenabwehrmassnahmen.
Die beiden Bärenzäune, welche uns Carmen eingepackt hatte, waren zwar simpel in der Anwendung, doch bis sie dann standen und „klickten“ dauerte es doch eine ganze Weile. Ich zwinkerte zu Rolando und uns beiden war jetzt schon klar, dass die bald der Vergangenheit angehören würden.
Nun gab es noch eine Einweisung für alle von Tobi zum Gebrauch der Stihl Kettensäge und von mir zum Umgang mit der Flinte.
Man merkte schnell, Tobi hatte Benzin im Blut. Hermann erklärte, dass die Kettensäge hauptsächlich als Bärenabwehr gedacht sei. Der Lärm vertreibe den noch renitentesten Bären. Tobi fand das toll, wollte aber was zerlegen. Also wurde mit der Stihl grossflächig rund um das Küchenzelt, welches uns künftig als Vereinshütte diente, gemäht.
Nachdem jeder seine Matte aufgeblasen hatte, oder aufblasen liess…, und sich einigermassen eingerichtet hatte, verzogen sich die einen in die Küche, die anderen ans Wasser.
Unter dem Seeauslauf stellten wir fest, dass der Wasserstand wohl ungewöhnlich hoch für diesen Fluss ist. Das Ufer war weit überspühlt und der Wasserdruck liess nur wenige Schritte in den Fluss zu. Das wird schwierig hier, um an den Fisch zu kommen. Wir versuchten uns rund zwei Stunden, doch keiner konnte gross was landen.
Oben am See hatte jedoch Rudi das Glück, eine schöne Seeforelle mit dem Spinner zu fangen. Bravo!
Udo war fleissig und rief zum Abendessen: ein vorzügliches Mahl mit frischem Salat und Spaghetti erwartete uns alle.
Nach dem Essen wurde der erste Tinto angestochen und der gemütliche Teil begann. Ein erstes Fazit bevor es in den warmen Schlafsack ging: „It is, what it is“ wie der Einheimische sagt. Das Wetter weit weg von Sommerfeeling, die Moskitos allgegenwärtig, der Fluss viel zu hoch und die Fischerei nicht sehr berauschend. Doch die Gruppe versteht sich blendend und der Koch ist eine Bombe.
Die erste Nacht verlief ruhig ausser Hermann schien kalt gehabt zu haben. Er stellte in der Nacht schmerzlich fest, warum sein Schlafsack so ein angenehmes Packmass hatte: er hatte den dünnen Sommerschlafsack eingepackt. Max, seinem Sohn wurde eröffnet, dass dieser zwar seinen grossen Schlafsack zum Packen gerne bei sich behalten dürfe, jedoch jeweils am Abend auf Hermann’s Matte bereit zu liegen hätte. Dieser Akt höherer Gewalt nahm Max ohne grosses Murren hin, was die Verbundenheit zu seinem Vater unterstrich, respektive Hermann’s harter Führungshand ordentlich Ausdruck verlieh.
Alle machten sich daran, das Camp abzuräumen, die Boote aufzublasen und das ganze Zeug auf die Boote zu verladen. Udo wartete mit Eier, Würstchen, Toasts und frisch gebrühtem Kaffee in der Vereinshütte auf. Das war ein bis jetzt noch nie dagewesener Luxus.
Kurz vor Ablegen, wurde die Bootsreihenfolge festgelegt, Ordnung muss sein (!) und Hermann griff zu seiner geliebten gelben Klebeband-Rolle. Max, Udo und er klebten sich eine gelbe Eins auf die Mützen. Die Antwort auf meine Frage, was denn das zu bedeuten hätte, war denkbar einfach: „Deutschland 1“. Aye, aye, mon captain !
Der Platz wurde nochmals auf Reste kontrolliert, der letzte Müll verbrannt und es konnte los gehen.
Das Floaten ging natürlich entsprechend flott voran, bei dem vielen Wasser. Zu dritt auf dem Boot zu sein hat den Vorteil, dass mindestens immer einer die Rute auswerfen kann, während die beiden anderen paddeln und den Kurs halten.
Schnell hatten sich alle mit dem Manövrieren der Boote vertraut gemacht und die letzten Bedenken waren verschwunden. Doch der Alagnak war nicht zu unterschätzen. Der Zug des Wassers war umgehend merkbar, als wir den Seeauslauf passierten und ein Moment der Unachtsamkeit brachte das Boot sofort vom Kurs ab. Zudem warteten etliche grosse Steinblöcke mitten im Fluss darauf, dass man sie umfuhr oder sie „überfuhr“.
So vergingen die Meilen, es wurde gefischt, gelacht, ab und zu ein Bierchen genommen, mal angehalten um eine Stelle ausgiebiger zu befischen um dann wieder zu den anderen aufzuschliessen. Ziel war die Confluence, also der Zusammenfluss des Nonvianuk, auf welchem wir uns befanden, und dem Branch/Alagnak. Dort wollten wir die nächste Nacht verbringen.
Die Fischerei wurde immer besser. Etliche grossen Regenbogenforellen aber auch tolle Äschen konnten mit dem Spinner gefangen werden. Und einige hatten das Glück herrliche Seeforellen zu fangen, welche wir behielten und für das Abendessen mitnahmen.
Spät am Abend trafen wir bei der Confluence ein. Ein perfekter Campplatz war schnell gefunden: Genau zwischen dem Nonvianuk und dem Branch war ein Spickel, der zwar etwas erhöht war, doch allen Zelten den perfekten Stellplatz bot.
Die Küche und Materialzelte wurden in die Mitte des Camps gesetzt. Hermann nahm mich beiseite und meinte „Ursus, wir haben beschlossen, die Bärenzäune heute Nacht nicht aufzustellen.“ Das Grinsen war breit, als ich ihm zu dieser weisen Entscheidung gratulierte. Natürlich geschah kurz danach das, was die ganze Gruppe wieder nervös machte und die ersten Zweifel über den eben gefällten Entscheid aufkommen liess: Auf der gegenüberliegenden Seite tauchte der erste Bär auf. Ein junges Männchen streifte durch die Büsche auf der Suche nach aufsteigenden Rotlachsen. Er prüfte jeden Spot mit kurzem Blick, wechselte dann zum nächsten und so weiter. Gar ein Spung ins Wasser bekamen wir zu sehen. Doch erfolgreich war er nicht und so zottelte er in dieser Gangart weiter den Fluss hinauf. Aus den Augen, jedoch nicht ganz aus dem Sinn. Die Flinte wurde zentral an einen Baum gehängt und die Motorsäge gleich unten dran. Jetzt war aber jedem klar, dass wir uns im Bärenland befinden. Gut so, denn bis jetzt war alles Theorie. Die Zwiefel über den am Gürten störend rumbambelnden Pfefferspray waren umgehend weggewischt.
Rolando filetierte die Lakers gekonnt, Udo richtete wieder die Küche ein und der Rest der Mannschaft versuchte aus der Confluence einen Fisch zu fangen. Die Wassermenge und der entsprechende Druck war ab hier nun doppelt so hoch wie zuvor und machte gar den Spinnfischern allmählich Sorgen. Nur Hermann nahm es gelassen – er hatte ja auch sein ganzes Doppelhänder-Equipment dabei, mit bleischweren Schussköpfen und dem ganzen anderen heavy Zeugs. Plötzlich sahen wir auf der gegenüberliegenden Seite ein gelbes Fass runterschwimmen. Bald darauf auch noch eine Tasche. Hatte da jemand Probleme durch den Canyon zu kommen?
Tobi schnappte sich ein paar Jungs, die Stihl und eines der Boote und beschaffte Holz. Nach dem Essen wurde es gemütlich. Dank Tobis Holzaktion und den mitgebrachten Feuerwasser aus deutschen Landen war die Stimmung ausgelassen und es wurden Geschichten erzählt.
Die von Udo mitgebrachte Paella-Pfanne inklusive Grillgasschlange, Ständer und Übergangsstück für die Ami-Gasflasche zeigte hier erstmals, was sie drauf hatte.
Im Vorfeld musste sich der liebe Udo so einiges zu seiner Paella-Pfanne anhören. „Was ist denn das? Satellitenschüssel oder Rettungsboot auf Kruppstahl?“
Doch diese Sprüche galten von nun der Vergangenheit an; Udo’s Pfanne war eine Wucht, vorallem für die Zubereitung der Menge Essen für neun Personen.
Spät in der Nacht kriegten wir Besuch. Ein aufgeregter Typ mit triefender Nase kam wie von Sinnen in unser Camp gestürmt und verlangte nach einem Satelliten-Telefon. „Klar doch; haben wir auch irgendwo! Wir sind ausgerüstet, als ob Bear Grills uns im Training hätte, respektive Hermann the German.“ Der Typ erklärte, dass sein Satphone kein Empfang hätte und er Guide einer Gruppe sei. Sie wären mit einigen Booten den Canyon geraftet und hätten in einem grossen Big-Eddie ein Boot verloren. Einen der drei Passagiere hätten sie retten können, doch die beiden anderen seien verloren gegangen. Meine Frage auf: „Is it OK, when I call nine-eleven?“ wurde mit grossen unverständlichen Augen beantwortet. „Oh sorry – nine-one-one!“ Perfekte Wortwahl schaut anders aus…
Der Guide schilderte der Hotline die Situation und meinte danach, dass bald ein Helikopter der State Troopers eintreffen würde.
Während des Anrufs kam ein zweiter Mann in unser Camp: Völlig durchnässt, stark unterkühlt und am ganzen Körper zitternd suchte er seinen Guide. Dem alten Herrn ging es augenscheinlich nicht gut und es stellte sich heraus, dass er der war, der aus dem Wasser gezogen werden konnte. Wir setzten eine Suppe auf, Schnapps wollte er partout nicht , so stellten wir ihn ans Feuer. Die nassen Kleider wurden über die Stühle rund ums Feuer zum Trocknen ausgelegt. Er war sichtlich froh, dass sich endlich jemand um ihn kümmerte. Der Guide stürmte unterdessen zurück zu seinem Boot, wo sich nun weitere Boote eingefunden hatten. Die Gruppe mit rund 12 Herren im gleichen Alter und drei Guides sammelte sich, begann die Boote auszuladen und ein riesiges Zelt aufzustellen. Bald darauf war das Knattern eines Helikopters zu vernehmen, der kurz landete, einen der Guides aufnahm und anschliessend Richtung Canyon weiterflog. Unser Gast erholte sich langsam am warmen Feuer und kam dank aufgewärmter Laketrout mit Kartoffeln wieder zu Kräften. Er taute auch geistig auf und schien sich langsam vom Shock zu erholen. Er meinte, diese Unternehmung sei eine Zumutung. Er hätte niemals so einen gefährlichen Canyon raften wollen und trotz Warnung wegen des hohen Wasserstandes sei die Expedition durchgeführt worden. Das liessen wir mal so stehen und waren insgeheim froh, uns nicht für den Canyon entschieden zu haben, sondern für den sanften Nonvianuk.
Der Heli kam nach rund einer Stunde mit den beiden Vermissten zurück. Wir fragten nach, ob auch diese beiden noch versorgt werden dürften, doch dies wurde von den Guides vehement abgeblockt. OK, dann halt eben nicht. Unserem Gast jedenfalls gefiel es immer besser und als er seine beiden Bootskollegen, wohl durchs Unterholz neben den Guides vorbei, auch an unser Feuer brachte, wurde gar noch Hermann’s Spezial-Brand verköstigt. Die drei Pensionäre tauten richtig auf und liessen durchblicken, dass sie am nächsten Tag lieber mit den „European Moonshiners“ weiterfloaten möchten. Durch das Gelächter an unserem Lagerfeuer aufmerksam geworden, tauchten die Guides auf und brachten ihre Schäfchen unmissvertändlich ins Trockene, resp. boten den dreien Geleitschutz bis zu ihrem Camp. Ob sie dort angekettet wurden, wissen wir nicht, doch liessen wir uns natürlich nicht abhalten, die Party jetzt erst richtig zu starten. Aus der Box dröhnte Black Stone Cherry, Max fand einen weiteren Edeltropfen aus Vaters stiller Reserve und Rolando, Tobi, Udo, Max und ich liessen die „Rafter“ wissen, wo heut Nacht der Bär tanzt.
Am nächsten Morgen stand Udo in aller Herrgottsfrühe an seiner Pfanne und bereitete ein weiteres Erstklasse-Frühstück zu, was wohl so am Alagnak noch nie dagewesen war. Der Wind stand gut und zog die besten Düfte genau Richtung Rafters. Fies, ich weiss. Natürlich unterliessen wir es nicht, mit einem Teller voll herrlich gegrillter Würstchen, Toasts und Rührei einen „Antrittsbesuch“ bei den Raftern zu machen. Die Jungs waren bereits wieder am Abräumen der Zelte und beschäftigt mit dem Auftüdeln ihrer Instant-Outdoor-Frühstücksbeutelchen. Das Sprichwort „den Speck durch den Mund ziehen“ wurde zur bitteren Wirklichkeit. Die Guides waren aber erbarmungslos und erklärten ihren Gästen, dass der Instantfood viel gesünder sei. Nein, eine Revolte gab es nicht, aber die enttäuschten Gesichter sprachen Bände. Wir verabschiedeten uns somit und überliessen die Gruppe sich selbst. Am späten Vormittag legten sie dann ab und wir winkten ihnen ein letztes Mal. So long, Ihr Chnöbels.
Wir beschlossen eine weitere Nacht hier zu bleiben und die Umgebung intensiver zu befischen. Max hatte das Glück als erster einen Rotlachs zu fangen und von nun an gab es kein Halten mehr. Auch Rudi und Udo konnten hier ihre ersten Rotlachse fangen.
Die Fischerei blieb aber weiterhin schwierig und viel lief den ganzen Tag nicht. Trotzdem, ein paar schöne Rotlachse, neben Äschen, Regenbognern und Seeforellen konnten gelandet werden und die Hoffnung auf eine abwechslungsreiche Fischerei stieg wieder.
Tags darauf floateten wir weiter. Die Stelle kannten wir nun zur Genüge, der Campplatz war zwar perfekt, doch die Fischerei bot keine Überraschungen mehr.
Unterwegs kamen wir an der Alaska Trophy Adventures Lodge (http://www.alaskatrophyadventures.com/) vorbei. Hermann hatte bereits im Vorfeld mit Charlie Summerville, dem Verwalter, Kontakt aufgenommen und eine „Hot Shower“ für uns organisiert. Das Paddeln ging natürlich entsprechend schnell voran – eine heisse Dusche nach diesen kalten und feuchten Tagen war genau das richtige für die Gemüter.
(E-) Manuela, ein fesches Mädel aus der Schweiz, welche die Gäste der Lodge versorgt, empfing uns und servierte frisch gebrühten Kaffee, während einer nach dem anderen die Dusche für 20 Dollar in voller Länge genoss. Von nun sollte der Ohrwurm „lass die Finger von Emanula“ jeden auf dem Alagnak begleiten.
Frisch gestärkt und geputzt statteten wir im Haupthaus Karl und seinem Kumpel einen Aufwartungsbesuch ab. Karl, der Hauptfinancier der Lodge erzählte von seinem 1000PS-Boot, den Spritpreisen, von seinen Nähereien in Moldavien, Baumussplantagen als Wertanlage und von jährlichen Erholungsurlauben auf seiner Alaska Lodge. Unsere nördlichen Nachbarn bekamen grosse Augen, Rolando und ich gaben uns nicht gross beeindruckt und meinten, das sei Normal in der Schweiz. Wir wurden von Karl fürstlich mit Rentierwurst und Weisswein bewirtet und genossen die Momente in der warmen Lodge mit herrlichstem Ausblick über den Alagnak. Die Fotzelei der „kleinen“ Schweizer gegenüber dem grossen Nachbarn nahm kein Ende und alle amüsierten sich bestens. Als dann aber der viel zu hohe Schweizer Mehrwertsteuersatz von 8% beklagt wurde, wurde es langsam Zeit aufzubrechen.
Mit wertvollen Infos von Guide „Santa“ über den nächsten Hotspot ging es weiter flussabwärts. Bei den vielen Windungen und Verzweigungen, die nun der Branch River nahm, war es gar nicht so einfach, Santa’s Stelle zu finden. Irgendwann beschlossen wir, dass wir die Stelle erreicht hatten und stellten die Zelte auf. Mittlerweile befanden wir uns am Anfang der „Braids“, welche als fischereiliche Hauptattraktion am Branch gilt.
Die Boote benutzten wir um die Küche und die Feuerstelle ein bisschen gegen den immer währenden Wind zu schützen und richteten uns so für die kommenden zwei Nächte ein. Beim Spähen ins Wasser fiel sofort auf, dass direkt vor unserem Campplatz die Sockeyes wie eine nicht enden wollende Perlenkette hochstiegen. Sofort wurden die Ruten geschnappt und jeder von uns konnte hier Rotlachse drillen, bis er nicht mehr konnte.
Es macht ja schon einen riesen Spass, diese wilden Rotlachse im schnellen Wasser zu drillen, aber irgendwann hatte ich’s gesehen. Einzelne kleine Ringe waren in einigen der ruhigen Zonen in Ufernähe zu entdecken. Also die leichte Rute abwechselnd mit einer Klinkhammer oder einer kleinen Nymphe montiert und die verdächtigen Stellen angeworfen. Umgehend kamen herrlich gezeichnete arktische Äschen zum Vorschein.
Die Bären verhielten sich weiterhin sehr friedlich. Ab und zu kam einer in die Nähe des Camps, machte aber immer einen grossen Bogen rund herum. Am Wasser traf man die Kollegen oft an. Sie lauerten den Rotlachsen auf, doch erfolgreich bei der Jagd sahen wir leider keinen.
Udo liess an einem Abend wiederum seine Kreativität aufblitzen und zauberte spät in der Nacht einen Kaiserschmarrn aus seiner Paella-Pfanne. Der Schmarrn schmeckte vorzüglich, trotz Hermann’s spitzer Zunge: „Schmeckt gut, aber es ist ne Papp! Ä Papp is ne Papp!“
Tags darauf ging es weiter Richtung „Estradas“. Wir wollten die letzen zwei Nächte möglichst in der Nähe vom Pickup Punkt des Piloten verbringen.
Die Suche nach dem Big Bluff gestaltet sich nicht ganz so einfach wie gedacht. Mit dem GPS konnten wir zwar die Koordinaten überprüfen, doch durch die vielen Windungen des Flusses, änderten sich diese natürlich andauernd und es war unmöglich nach Koordinaten zu navigieren. Das Foto von Estradas auf dem Handy machte die Sache auch nicht ganz einfach. Big Bluffs gibt es im unteren Teil zu Hauf und die sahen irgendwie alle gleich aus. Doch spät Abends erkannten wir die Mutter aller Big Bluffs und wussten, dass wir das Ziel erreicht hatten. Der grosse Sandplatz versprach gemütliche Nächte auf flacher Unterlage, dafür aber auch überall Sand im Getriebe.
Ab hier wollten wir die gefangenen Rotlachse behalten, um sie in Anchorage räuchern zu lassen. Also hiess es ran an die Ruten! Dummerweise war der Run hier unten nicht mehr derat gross wie noch zuvor und so wurde die Fischerei herausfordernd.
Das Wasser war zudem kaum einsichtig und die Sockeyes waren sehr schwer zu erkennen. Doch nach ein paar Stunden fischen, konnten wir ausmachen, wo die Fische durchziehen und positionierten uns alle in Reih und Glied bei der heissen Stelle. Die gefangenen Fische wurden in Kühlboxen im Wasser gelagert und nach zwei Tagen und neun Fischern kam da ganz schön eine Menge zusammen.
Die Jungs legen Wert auf besten Lachs, also wurden die Küchentische in den Fluss gestellt und bis spät Nachts im eisig kalten Wasser filetiert. Da wurde nix weggeschmissen oder verschwendet. Die Filets wurden sehr vorbildlich einzeln verpackt und wiederum in der Kühlbox gelagert.
Die Flieger sollten uns am Vormittag des letzten Tages abholen kommen, damit die Jungs pünktlich auf den Inlandflug zurück nach Anchorage kommen würden. Das Brummen der ersten Maschine war aber erst knapp vor Mittag zu vernehmen, da am Morgen Nebel in King Salmon den frühen Start verhinderte. So wurden die beiden ersten Flieger nur mit dem persönlichen Gepäck und den Jungs selbst beladen. Wir verabschiedeten uns überstürzt am Fluss, da Rolando und ich am nächsten Tag, nach einer Übernachtung in King Salmon, direkt an den Moraine weiterfliegen sollten (siehe sep. Bericht).
Wie sich später herausstellte, erwischten die Jungs den Flieger und konnten so am Nachmittag im Camper weiter nach Homer zum Halibut angeln.
Wir machten uns zu Anfang Sorgen um die Deutschen Kollegen, denn für manch einer war es der erste Float und das bei dem sehr kühlem und äusserst nassem Wetter. Ob das Material den Belastungen von Wind und Regen stand hält, war eine weitere Unsicherheit.
Die Jungs liessen sich nicht viel anmerken, kniffen die Backen zusammen und dank ihrem Humor wurden alle Widrigkeiten beiseite gepackt. Udo’s Küche war täglich ein grosses Highlight in den tristen Tagen und hob die Stimmung extrem. Der Schalk und die Spässe, die die Jungs mitbrachten, waren unbezahlbar und habe ich bis jetzt noch nie erlebt. Zudem hat mich beeindruckt, wie Väter und (Schwieger-) Söhne wie auch Nachbarn so ein tolles Verhältnis untereinander haben können. Weder Groll noch Neid begegneten uns und wir waren von der ersten bis zur letzten Minute ein perfektes Team. Chapeau!
Da die Kings noch nicht aufgestiegen waren, war gemäss Aussagen der Guides der Lodges noch nicht viel los. Ein Tip: Sollte Karl mit seinem 1000PS Boot den Fluss raufbrettern, empfiehlt es sich unbedingt sofort das Wasser zu verlassen und einen erhöhten Platz aufzusuchen!
Campplätze waren nicht einfach zu finden, denn oft ist das Ufer sumpfig oder dann nur durch Kraxeln von einigen Höhenmetern erreichbar.
Die Bären waren angenehm und bereiteten uns keine Probleme. Hält man sich an die Regeln, sind auch hier die Risiken auf ein Minimum reduziert.
Eine feine Fischerei war möglich, meist muss aber tief gefischt werden, um an die Fische in den oft doch sehr tiefen Gumpen zu kommen. Stellen, wo man Trocken oder mit Nymphe fischen kann, muss man suchen. Aber es gibt sie. Der Zug der Rotlachse rettete natürlich vieles und bescherte uns allen eine tolle Fischerei. Wären die Sockeyes jedoch erst eine Woche später aufgestiegen, wäre es zäh geworden.
Grosser Dank gebührt Carmen Curtis
vom www.alaskafishermanclub.com, welche das Meiste organisiert hatte. Das Material war top, alles stand bereit, wie im Vorfeld abgesprochen und die Organisation war wie immer perfekt!
Danke !
Dieser Bericht wurde in gekürzter Version im fliegenfischer-forum.de unter folgendem Link veröffentlicht:
http://www.fliegenfischer-forum.de/pdf/alagnak.pdf
Der Bericht wurde von den Lesern des Fliegenfischer-Forums bei der Wahl zum besten Reisebericht 2014 auf Platz 5 gewählt.
Hier die gesamte Wahl: http://www.fliegenfischer-forum.de/reise014.html